Halbfinale im DFB-Pokal: Risiko im Schlamm

Drittligist Saarbrücken spielt gegen Kaiserslautern um den Finaleinzug. Es wird übers Wetter geredet und über den Hass der verfeindeten Fanszenen.

Ein Spieler des 1. FC Saarbrücken versucht ein Stück Rasen, das sich gelöst hat, wieder an seinen Ort zurückzulegen

Rasenpflege beim 1. FC Saarbrücken: Bjarne Thoelke während des Viertelfinalspiels gegen Mönchengladbach Foto: Jan Huebner/imago

SAARBRÜCKEN taz | Regen im Saarland! Was andernorts höchstens dazu führt, dass der gemeine Fußballfan für den Besuch des nächsten Heimspiels schon mal die Regenjacke einplant, löst im Fall des 1. FC Saarbrücken bei Onlinemedien und den übertragenden Fernsehsendern Schnappatmung aus: Kann das DFB-Pokalhalbfinale am Dienstag gegen Kaiserslautern stattfinden? Muss wieder abgesagt werden? Droht die nächste Schlammschlacht? Viel Lärm um nichts? Nun ja, der Rasen im Ludwigspark verträgt halt keinen Regen.

Weil er der wohl einzige im bezahlten Fußball ist, der ohne Drainage auskommen muss. Dafür hatte die Stadt als Eigentümerin des Stadions nun wirklich kein Geld mehr, wie auch für die zwei Tribünenbereiche auf der Gegengerade, die stets abgedeckt werden, unter denen das Unkraut wächst und die im Volksmund längst „Kuhweide“ heißen.

Irgendwann war beim Stadionumbau das Geld aus, kostete die Verkleinerung von 36.000 auf 16.000 Zuschauer statt 16 dann doch 47 Millionen Euro – und das in einem Bundesland, das im Länderfinanzausgleich eher nicht zu den Gebern gehört. Aber keine Drainage für den Rasen? Peinlich, peinlich. Absurd,die Bilder vor dem Viertelfinale gegen Mönchengladbach, als der Platz nur noch aus Schlamm zu bestehen scheint. Während sich der FCS-Keeper beim Warmmachen wacker in den Matsch wirft, warten die Gäste lieber auf die unvermeidliche Absage der Partie.

Auch Wochen später beim nächsten Versuch erinnert der Rasen an eine Seenlandschaft. Gespielt wird dennoch, mit dem mittlerweile bekannten Verlauf: Rückstand FCS, Sieg in der Nachspielzeit, Ausnahmezustand in der Stadt.

Spiel gegen den Erzfeind

Gar nicht auszudenken, was los sein wird, sollte der Drittligist nach den Bundesligisten FC Bayern, Eintracht Frankfurt und Borussia Mönchengladbach auch noch die Zweitliga-Nachbarn aus der Pfalz aus dem Wettbewerb expedieren. Es wäre der erste FCS-Sieg gegen den FCK seit 1992, als an einem sonnigen Frühherbsttag der US-Sonnyboy Eric Wynalda die Pfälzer um den Saarländer Stefan Kuntz im Alleingang abschoss: 2:0. Dass es auch noch der erste Einzug der Saarländer ins Endspiel um den DFB-Pokal wäre: schön. Aber bedeutender wäre wohl der Sieg gegen den Erzfeind.

Die Partie wird kein fröhliches Nachbarschaftsduell, sondern ein Hochrisikospiel, ein Hauen und Stechen, das schon vor dem Anpfiff beginnt, auf dem Weg vom Bahnhof zum Stadion. Gegen die Rivalität der FCS-Fans mit denen des FCK nimmt sich die Feindschaft von Schalkern und Dortmundern harmlos aus. Im Januar vergangenen Jahres nahmen sich die „Tatort“-Macher in Folge 1.224 mit dem Titel „Die Kälte der Erde“ diesem Saar-Pfalz-Szenario an. Im Film gewann der FCS übrigens 2:1.

Die tief empfundene Abneigung rührt von der Nazi-Zeit her, als nach der Angliederung des Saarlands 1935 nicht nur der Posten des Gauleiters, sondern auch alle anderen Machtpositionen im Saargebiet mit Pfälzern besetzt wurden. Aus dieser Zeit stammt auch das im Saarland immer noch geflügelte Wort „Uff die Bääm – die Pälzer komme!“

Unvergessliche Duelle

In all den Jahren gab es nur 23 Derbys zwischen den Klubs, 13 Siege für Kaiserslautern, 4 für Saarbrücken, 6 Unentschieden. Im ersten Duell 1948 erzielt ein gewisser Fritz Walter den Führungstreffer, Bruder Ottmar steuert zwei weitere zum 6:0 bei. Der erste FCS-Sieg: 1960, ein 3:0, zwei Treffer von Hans-Dieter Diehl, dessen zehn Jahre jüngerer Namensvetter später für den FCK spielt.

Das erste Bundesliga-Match 1963: Lautern gewinnt 4:2 in Saarbrücken, das Rückspiel dominieren die Saarländer: 4:2 auf dem Betzenberg. Erst 1976 sieht man sich wieder: Klaus Toppmöller, der den FCS fast 25 Jahre später in die 2. Liga coachen sollte, macht das einzige Tor, Ronnie Hellström hält seinen Kasten sauber. Das Rückspiel: ein wildes 2:2 nach 0:2-Rückstand, FCS-Held des Tages: Harry Ellbracht, der Mann mit dem schönen Spitznamen Stolper-Harry.

1985, wieder in Liga eins: 1:1, beim FCK spielen ein Ex- sowie ein Bald-FCSler: Andreas Brehme und Wolfram Wuttke. 1993 trifft man sich zum bislang letzten Mal in der Bundesliga, 1997 dann nochmal im Pokal: Der spätere deutsche Meister FCK gewinnt 4:0, mit Ciriaco Sforza, Olaf Marschall und Vokuhila-Legende Harry Koch. Die nächsten Wiedersehen lassen auf sich warten: vier Spiele in Liga drei, eins davon vor 47.000 Zuschauer auf dem Betze, ein Hochrisikospiel, klar.

Gut möglich, dass man sich bald öfter sieht: Der FCS wird auch in dieser Saison den Aufstieg in Liga zwei verpassen, wo es für den FCK mit Rang 16 gerade nicht gut aussieht. Die Saarländer werden sich nach Saisonende dank der im Pokal durch TV-Übertragungen eingenommenen 6,6 Millionen Euro plus Zuschauereinnahmen endlich eine Drainage leisten. Bis dahin darf es gerne regnen: Schlammschlacht kann der FCS.

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