Bewegungstermine in Berlin: Die Lächerlichkeit der Repression

Der deutsche Umgang mit Palästinasolidarität verteidigt vor allem das nationale Ehrgefühl. Es gilt, gegen die Erosion des Rechtsstaats zu kämpfen.

Ein Polizist und ein Demonstrant stoßen auf einer Demonstration nach der Auflösung der «Palästina Konferenz» in Berlin-Mitte zusammen. Der Polizist in Riotgear ballt seine Faust und droht zum Schlag auszuholen. Die Berliner Polizei hat den umstrittenen kongress, der eigentlich bis Sonntag dauern sollte, am Freitag aufgelöst.

Die deutsche Staatsräson hat schlagkräftige Argumente Foto: Fabian Sommer / dpa

Wenn ein Staat autoritär agiert, bedeutet das für Betroffene erst einmal Einschüchterung, Zensur und Gewalt. Nichts daran ist lustig. Und doch hat das autoritäre Gehabe immer auch etwas Komisches, Lächerliches. Zum Beispiel, wenn ein Staat sich auf eine bestimmte Sichtweise verkrampft hat. Po­li­zis­t:in­nen setzen dann die abstrusesten Verbote mit immer lächerlicheren Mitteln durch. Der Staat wird paranoid, schlägt um sich und fällt dabei auf die Nase wie ein Clown, der im Zirkus von einem Missgeschick ins nächste tappt.

Ironischerweise beschwört die Staatsmacht dabei die verbotene Sichtweise umso mehr, je mehr sie sie unterdrückt. Es hätte wohl kaum jemand mitbekommen, was ein paar Linke auf dem Palästina-Kongress besprechen, hätte der Staat die Sache einfach laufen lassen. Aber dazu war er nicht mehr in der Lage. Denn Deutschland hat die unbeschränkte Solidarität mit Israel zur Staatsräson erklärt. Wer die blutigen Konsequenzen dieser Entscheidung kritisiert, beschmutzt deshalb das patriotische Ehrgefühl – weshalb mit geballter Staatsmacht dagegen vorgegangen werden muss.

Nun könnte man sagen, der Kampf gegen Antisemitismus als Staatsräson, das ist doch eine gute Sache. Man darf aber skeptisch sein, ob es wirklich vor allem um Antisemitismus geht. Ginge es um Antisemitismus, hätte die Polizei wohl auch die Stromzufuhr zu dem TV-Duell gekappt, wo der Möchtegern-Führer der deutschen Faschisten gerade seine Propaganda verbreitete. Aber Höcke durfte reden, anders als die Angehörigen und Un­ter­stüt­ze­r:in­nen derjenigen, die in Gaza auch mit deutschen Waffen ermordet werden. Offenbar verstößt Palästinasolidarität mehr gegen die Staatsräson als Faschismus.

Das heißt nicht, dass man nicht über Antisemitismus und die politische Nähe einiger Teil­neh­me­r:in­nen zu Is­la­mis­t:in­nen sprechen müsste. Doch verhindert ausgerechnet die Instrumentalisierung dieses Kampfes durch die Iris Sprangers und Nancy Faesers dieser Welt, vernünftig darüber zu reden. Der notwendige Kampf wird völlig ausgehöhlt, wenn damit plötzlich gemeint wird, mit klar unrechtsstaatlichen Mitteln grundsätzlich gegen Palästinasolidarität vorzugehen und Waffen an eine rechtsextreme Regierung zu liefern, die offensichtlich Kriegsverbrechen begeht.

Empathie für die Unschuldigen

Ein erster Schritt aus dieser Misere könnte es sein, sich die Gewalt zu vergegenwärtigen, in der die Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen leben. Hinzugucken, wenn Menschen erschossen, zerbombt und ausgehungert werden – und die deutsche Mitschuld an diesen Verbrechen anzuerkennen. Und auch anzuerkennen, dass Angehörige grundsätzlich ein Recht auf emotionale und laute Anklage haben. So ließe sich vielleicht aus der Verkopftheit der deutschen Debatte heraustreten, in der Vorwürfe wie Völkermord von vorneherein verworfen werden, ohne sich überhaupt mit den Fakten zu befassen.

Dafür müssen die Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen zunächst aus einer Statistik zu realen Menschen werden. Helfen kann dabei zum Beispiel die Spoken-Word-Kunst von Faten El-Dabbas. Die Künstlerin tritt in der Maigalerie der Zeitung Junge Welt auf, um unter dem Titel „Lebens(T)räume – Zwischen Gaza und Berlin“ für mehr Empathie, Humanität und Gerechtigkeit werben. Der Eintritt beträgt 10 Euro (ermäßigt 5 Euro). Um Anmeldung per E-Mail wird gebeten (Donnerstag, 18. 4., Torstr. 6, 18 Uhr).

Anschließend gilt es, den Kampf gegen deutsche Waffenlieferungen in die Krisenherde dieser Welt aufzunehmen. Denn mit deutschen Waffen wird nicht nur in Gaza gemordet. Auch die Türkei hat sich jahrelang mit deutschen Waffen eingedeckt – obwohl Erdoğan immer wieder völkerrechtswidrig die kurdischen Gebiete in Rojava bombardiert. Ein Vortrag mit Diskussion des Netzwerks Defend Kurdistan und der Internationalistischen Jugendkommune Berlin befasst sich näher mit der Rolle Deutschlands in diesem Krieg (Donnerstag, 18. 4., Jugendkulturzentrum Königstadt, Saarbrücker Str. 24, 18 Uhr).

Abgesänge auf die Szene

Notwendig, um in der linken Szene dieser Tage nicht wahnsinnig zu werden, ist sicherlich auch eine gute Portion Humor. Eine Möglichkeit, Dampf abzulassen, bietet der Lesungsabend „Publikumsbeschimpfungen – Abgesänge auf die Szene“. In einem wilden Mix aus Texten der Punk-Geschichte wird sich wohl längst nicht nur über die Nahostpositionen der Szene (welche Szene?) ausgelassen werden (Donnerstag, 18. 4., Regenbogencafé, Lausitzer Str. 22, 19 Uhr).

Ein Beispiel für eine Bewegung, die sich unnötig über den Nahostkonflikt zerfetzt hat, ist die Klimabewegung. So ruft Fridays for Future Deutschland wegen Streit in der Palästinafrage nicht zum internationalen Klimastreiktag an diesem Freitag (19. 4.) auf. Protestieren wollen aber die BIPoCs for Future, die der Dachbewegung schon länger Rassismus und eurozentristische Perspektiven vorwerfen. Los geht es am Freitag (19. 4.) um 13 Uhr im Invalidenpark.

Im Übrigen bröckelt die deutsche Rechtsstaatlichkeit nicht erst seit vergangenem Wochenende. Die Rechte von Geflüchteten werden seit Jahren abgewickelt, mit der europäischen GEAS-Reform hat die selbsternannte Fortschrittskoalition das Individualrecht auf Asyl mitbeerdigt. Umso dringender brauchen Geflüchtete Support. Die Initiative Balkanbrücke lädt zu Soli-Crêpes und Drinks, um eine Reihe von Projekten entlang dieser Route zu finanzieren. Die Nothilfe für Geflüchtete Wir packen's an ist auch am Start und bittet um Sachspenden – eine Liste gebrauchter Dinge findet sich hier (Freitag, 19. 4., Wagenplatz Lohmühle, Lohmühlenstraße 17, ab 18 Uhr).

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Die Erosion des Rechtsstaates wird aber auch im Inneren vorangetrieben. Po­li­ti­ke­r:in­nen werfen zum Beispiel gerne mit dem Begriff der „Clankriminalität“ um sich, obwohl dieser denkbar vage definiert ist. Sie schüren damit Ängste, um ihre rassistische Politik voranzutreiben. So forderte etwa Innenministerin Nancy Faeser kürzlich die Abschiebungen angeblicher Clanangehöriger, selbst wenn sie für gar keine Straftaten verurteilt wurden. In der B-Lage lesen Mohammed Chahrour und Janine Schulz aus dem Buch „Generalverdacht“, anschließend gibt es eine Diskussion (Mittwoch, 17. 4., Mareschstr. 1, 19:30 Uhr).

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