Anklage gegen Ehefrau wegen Korruption: Tritt Spaniens Sánchez zurück?

Spaniens sozialistischer Regierungschef nimmt eine Auszeit – vielleicht für immer. Eine rechte Pseudo-Gewerkschaft hatte zuvor Vorwürfe erhoben.

Ein Mann und eine Frau vor schwarzem Hintergrund.

Sie ist das Ziel: Sánchez’ Ehefrau Maria Begoña Gómez Foto: Remo Casilli/reuters

MADRID taz | Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez hat sich eine fünftägige Auszeit genommen und alle Termine gestrichen. „Ich muss innehalten und nachdenken“, heißt es in einem offenen Brief an die Bürger des Landes. Sánchez, dessen Koalition aus Sozialisten und Linksalternativen in Minderheit regiert, hatte ihn am Mittwochabend auf X veröffentlicht. „Ich brauche dringend eine Antwort auf die Frage, ob es sich lohnt (…), ob ich die Regierung weiter führen oder auf diese Ehre verzichten soll“, heißt es darin weiter.

Am Montag werde er seine Entscheidung bekanntgeben. Zuvor hatte ein Gericht die Ermittlungen gegen seine Ehefrau Begoña Gómez eingeleitet. Das Gericht erklärte die Untersuchungen zur Verschlusssache.

Richter Juan Carlos Peinado am Amtsgericht Madrid ließ – ohne wie eigentlich üblich die Staatsanwaltschaft hinzuzuziehen – eine Klage der rechtsextremen Pseudogewerkschaft „Manos Limpias“ (Saubere Hände) zu. Darin wird Gómez „Einflussnahme und Korruption im Geschäftsleben“ vorgeworfen.

Die Gruppe „Manos Limpias“ bringt seit Jahren rechte Anliegen und Politiker, die der Rechten verhasst sind, vor Gericht. Bis auf ganz wenige Ausnahmen scheiterten die Klagen nach mehreren Monaten. Doch derweilen nutzen rechte Talkshowteilnehmer das, um ordentlich Stimmung zu machen.

Sánchez sieht sich als Opfer „einer Strategie der Hetze und Zerstörung“ gegen ihn, seine Politik und nun auch auch gegen seine Familie

Die Belege: Berichte verschiedener Internetseiten

Als Belege für die Anschuldigungen gegen Gómez liefert Manos Limpias nur Artikel aus Internetseiten. In einem Text geht es etwa um die Genehmigung von öffentlichen Subventionen an Begoña Gómez. Und das, obwohl sich längst herausgestellt hat, dass es sich in diesem Fall um eine völlig andere Person in Nordspanien handelt. Weder Begoña noch Gómez sind in Spanien wirklich exklusive Namen.

Bei der wichtigsten Anschuldigung geht es um ein Hilfspaket in Form eines Kredites von über 600 Millionen Euro für die zweitgrößte spanische Fluggesellschaft Air Europa. Es handle sich, so die rechte Presse – auf deren Recherchen sich die gesamte Kampagne stützt – um einen Fall von Einflussnahme durch Gómez auf Mann und Regierung.

Die 49-Jährige, die seit Jahren im Marketingbereich für Banken und allerlei NGOs arbeitet, hatte tatsächlich Geschäftsverbindungen zu einer Tochter des Reiseunternehmens Globalia, zu dem auch Air Europa gehört. Sie hatte kurz vor der Pandemie für das Unternehmensinstitut ein Stipendienprogramm für Studenten aus Afrika ausgehandelt. Es wurde allerdings wegen Covid nie umgesetzt.

Der einzige Betrag, der letztlich floss, war der für zwei Flugtickets. Air Europa zahlte für den Kredit, für den auch die rechte Opposition stimmte, mittlerweile 66 Millionen an Zinsen und 25 Millionen an Raten.

Klage erinnert an eine ähnliche Geschichte in Valencia

Sánchez sieht sich als Opfer „einer Strategie der Hetze und Zerstörung“ gegen ihn, seine Politik und nun auch seine Familie. Seit Monaten schießt sich die Rechte auf seine Frau ein. Das geht so weit, dass in TV-Talkshows davon die Rede ist, sie sei eine Trans und ihre Eltern im Bordellgewerbe tätig.

Sánchez wirft dem Vorsitzenden der rechten Partido Popular (PP), Alberto Núñez Feijóo, und seinem Kollegen bei der rechtsextremen VOX, Santiago Abascal, vor, „notwendige Kollaborateure einer rechtsextremen digitalen Galaxie und der Organisation Manos Limpias“ zu sein. Feijóo und Abascal sprachen nach der Veröffentlichung des Briefes von einem „Theater“, das Sánchez aufführe, um von schweren Vorwürfen abzulenken, und forderten einmal mehr dessen Rücktritt.

Die Ermittlungen im Falle Gómez erinnern viele an eine andere Klage durch Gruppen der extremen Rechten in der Region Valencia: Im April 2022 wurde die damalige regionale Vizeregierungschefin Mónica Oltra von der linksalternativen Compromis beschuldigt, ihr Amt benutzt zu haben, um ihren Ex-Ehemann, der wegen Missbrauch Minderjähriger in einem Heim, wo er arbeitete, zu mehreren Jahren Haft verurteilt worden war, zu decken. Die Kläger behaupteten, Oltra und 14 weitere Angeklagte hätten Beamte unter Druck gesetzt, damit sie nicht gegen den Ex aussagen.

Nach einer zwei Jahre dauernden Untersuchung, bei der auch vor dem E-Mail-Verkehr der Vizepräsidentin und des ihr unterstehenden regionalen Gleichstellungsministeriums nicht Halt gemacht wurde, stellte der Richter die Ermittlungen gegen alle ein. Er habe „keinen einzigen Hinweis gefunden, dass von den Führungspositionen des Ministeriums aus Anordnungen oder Anweisungen erteilt wurden, die darauf abzielten, den Sachverhalt zu verheimlichen oder die Minderjährige zu diskreditieren“, erklärte der Richter in seinem Schreiben.

Wird Sánchez die Vertrauensfrage im Parlament stellen?

Doch der Schaden war nicht mehr zu beheben. Oltra war im Juni 2022 zurückgetreten. Seit den Regionalwahlen 2023 regiert eine Koalition aus PP und VOX die Region Valencia. Diese räumt nun mit dem politischen Erben Oltras auf. Gleichstellungsprogramme, Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt und zur Sensibilisierung in Sachen LGTBI wurden alle gestrichen.

Jetzt warten in Spanien alle gespannt auf Montag. Wird Sánchez zurücktreten? Die Vertrauensfrage im Parlament stellen? Kommt es zu Neuwahlen? Den Talkshows geht der Spekulationsstoff übers Wochenende sicher nicht aus.

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