Was Essen mit Krieg zu tun hat: Nur der Döner kam in Frieden

Kulinarisch gesehen sind Krisen eine Bereicherung: Österreicher trinken türkischen Kaffee. Holländer essen spanischen Eintopf. Mehr davon?

Ein Mann, der Dönerfleisch von einem Dönerspieß abschneidet

Köln, Döner-Stand, 2003, alles friedlich Foto: imago/Hoffmann

Es gibt auf dieser merkwürdigen Welt nicht wenige Rezepte, die etwas mit Krieg zu tun haben. Meist ist mit diesen Gerichten eine Geschichte verbunden, die sich gut erzählen lässt und die sich häufig besser anhört, als das Ergebnis schmeckt.

Das „Hühnchen Marengo“ ist so ein Kriegsgericht. Angeblich wurden die napoleonischen Truppen nicht weit von Marengo in Norditalien so überraschend von den Österreichern angegriffen und vertrieben, dass sie das eben vom Kompaniekoch zubereitete Mittagessen Hals über Kopf zurückließen. Sehr zur Freude der Österreicher.

Will man’s glauben? Gesicherter ist die Tatsache, dass die Liebe zum Kaffee in Wien erst nach gewonnener Schlacht gegen die Türken aus dem Jahr 1683 datiert. Damals haben die in die Flucht geschlagenen Osmanen angeblich 500 Sack Kaffeebohnen zurückgelassen.

Man muss in der heutigen Aufregung deshalb schon froh darüber sein, dass der Döner ganz friedlich seinen Weg nach Mitteleuropa gefunden hat. Anstatt sich zu massakrieren, hätten sich die Migranten früherer Zeiten und die einheimische Bevölkerung besser auch schon um eine friedliche Integration bemühen sollen, den Austausch von Rezepten selbstverständlich mit einbezogen.

Putin reagiert kulinarisch

Auf ihren Pferden trugen die Janitscharen, eine Elitetruppe des Sultans, wunderbare luftgetrocknete Würste bei sich, die lange haltbar waren und unter dem Sattel reiften. Sucuk – den Namen der Wurst kennt auch heute noch jeder Türke, während derjenige des türkischen Generals und Großwesirs Köprülü wohl nicht einmal Erdoğan mehr ein Begriff ist.

Sucuk selbst zuzubereiten, macht nur ab einer gewissen Menge Sinn. Daher hier ein Rezept für zehn Personen.

Zutaten:2 kg grob gehacktes Kalbshack, 15 Knoblauchzehen, 50 g gemahlener Kreuzkümmel, 50 g Chilipulver, 50 g edelsüßen Paprika, 40 g gemahlener Piment, 40 g Salz, Kunst- oder Naturdarm Kaliber 45. Nötige Gerätschaft: Wurstfüller

Zubereitung:Fleisch und Ge­würze mit den zerdrückten Knoblauchzehen 30 Minuten durchkneten und am besten über Nacht abgedeckt im Kühlschrank stehen lassen. Die gewässerten Därme mit Hilfe eines Wurstfüllers befüllen, nach jeweils acht Zentimetern abbinden und abschneiden. An den Enden mit einer Nadel einstechen und die Würste an einem schattigen, trockenen und warmen Ort aufhängen. Am besten unter eine überdachte Terrasse, weil die Wurst doch ziemlich riecht. Zehn Tage hängen lassen. Zum Servieren nochmals kurz auf den Grill legen.

Und dann: Der Boerenkoolstamppott wird mit Grünkohl gemacht. Etwa ein halbes Kilogramm Grünkohl und ein knappes Kilogramm Kartoffeln kleinschneiden. In einem großen Topf den Kohl oben auf die Kartoffeln legen und mit einem halben Liter Brühe und etwas Salz zum Kochen bringen. Bei mittlerer Hitze etwa 25 Minuten köcheln lassen. Danach nicht zu fein pürieren und mit etwas Butter und Pfeffer abschmecken.

Es hat sich seit der Schlacht vor Wien nicht viel geändert. Nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets in Syrien durch die türkische Armee reagierte Putin nicht mit militärischen Gegenmaßnahmen, sondern mit kulinarischen. Er verbot die Einfuhr türkischer Lebensmittel nach Russland. Es besteht also auch heute noch eine enge Verbindung zwischen Kriegsführung und Küchenangebot, zwischen Konflikt und Konfekt, zwischen Schuss und Genuss. Und wenn die niederländische Regierung einem türkischen Minister die Landeerlaubnis verweigert, wirkt sich das vor allem küchentechnisch aus. Jetzt sollen holländische Kühe aus der Türkei verbannt werden.

Dabei muss man sagen: Damit schaden sich die Türken selbst. Denn sie brauchen das Rindfleisch dringend zur Produktion von Sucuk. Krise als Chance, man liest und hört es allenthalben. Für die Niederlande bedeutet dieser Grundsatz, dass sie die Sucuk nun selbst herstellen und dabei erkennen müssen, wie wunderbar diese stark gewürzte Wurst zu ihrem eher einfältigen Boerenkoolstamppott passt, einem gestampften Brei aus Kartoffeln und Grünkohl.

Keine Erdnüsse mit Wilders?

Der Boerenkoolstamppott ist eines der ganz wenigen Nationalgerichte der Niederlande. Vielleicht wird man in 200 Jahren den Namen Erdoğan nicht mehr kennen, aber Sucuk, die geniale Beilage zum Eintopf, wird vielleicht als Gericht und als Geschichte überleben.

So wie übrigens auch der Huts­pot, ein enger Verwandter des Boerenkoolstamppotts, seine Entstehungsgeschichte einem Krieg verdankt. Sie klingt ganz ähnlich wie diejenige des Marengo-Hühnchens. Die spanischen Truppen mussten am 3. Oktober 1574 die Belagerung der Stadt Leiden (sic!) aufgeben und ein holländischer Junge fand im Lager der Truppen einen Topf mit fein gestampften Möhren, Zwiebeln und Pastinaken.

Kulinarisch gesehen sind Krisen und Konflikte also eine echte Bereicherung. Mehr davon! Dass Geert Wilders nun doch nicht die Wahlen gewonnen hat, ist daher gesehen schade.

Er hätte sicherlich nicht nur den Koran verboten, sondern auch die Einfuhr muslimischer Erdnüsse untersagt. Was wiederum die Köche in Amsterdam, die für ihre Erdnusssaucen berühmt sind, vor eine spannende, kreative Herausforderung gestellt hätte.

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