Spionageverdacht gegen Krah-Mitarbeiter: Die China-Connections der AfD

Schon wieder Trubel um AfD-Europaspitzenkandidat Krah: Nun wurde ein Mitarbeiter festgenommen, dem Spionage für China vorgeworfen wird.

Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD zur Europawahl

Schon wieder Trubel um AfD-Europaspitzenkandidat Maximilian Krah: Nun wurde sein Mitarbeiter unter Spionageverdacht festgenommen Foto: Sebastian Kahnert/dpa

BERLIN taz | Erst Vorwürfe der Russlandnähe, nun kommt noch China hinzu. Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD zur Europawahl im Juni, gerät massiv unter Druck. Am Montagabend wurde sein Mitarbeiter, Jian G., im Auftrag der Bundesanwaltschaft in Dresden festgenommen. Dem 43-Jährigen wird Agententätigkeit für einen chinesischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall vorgeworfen.

Der gebürtige Chinese soll nach taz-Informationen bereits seit mehreren Jahren für einen chinesischen Geheimdienst tätig sein. Fürs Studium kam er nach Dresden, handelte hier später unter anderem mit LED-Technik und lernte dabei Krah kennen. Ab 2019 arbeitete er für den AfD-Mann als Mitarbeiter, nachdem dieser für die AfD ins Europaparlament eingezogen war.

Im Januar dieses Jahres soll Jian G. dann wiederholt Informationen über Verhandlungen im Europäischen Parlament an einen chinesischen Geheimdienst weitergegeben haben. Zudem soll er chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben. So ist er etwa vor seiner Anstellung bei Krah auf Fotos im Kreise Exil-Oppositioneller zu sehen – unter anderem bei der tibetischen Exil-Regierung in Indien, bei taiwanesischen De­mo­kra­tie­ak­ti­vis­t*in­nen in Deutschland – und auch beim Dalai Lama.

Krah gibt sich zunächst ahnungslos

Vor etlichen Jahren soll sich G. auch einem deutschen Geheimdienst als Quelle angedient haben – eine Zusammenarbeit soll aber nicht zustande gekommen sein, weil er als unzuverlässig angesehen wurde. Die Vorwürfe gegen Jian G. sollen auf Informationen des Bundesamts für Verfassungsschutz basieren.

Krah gab sich am Dienstagmorgen zunächst überrascht. Ihm sei „nie etwas Verdächtiges aufgefallen“, sagte er der taz. Später erklärte er, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, würde er das Dienstverhältnis mit Jian G. beenden. Das Europaparlament suspendierte den 43-Jährigen bereits am Dienstag mit sofortiger Wirkung.

Schon länger hatten Medien auf fragwürdige Verbindungen von Jian G. hingewiesen, die auch Krah bekannt sein sollten. Demnach hat der AfD-Politiker 2019 mit Jian G. gar bei der Vernetzung des Vereins „Neue Seidenstraße e. V.“ geholfen, einem Verein zur chinesischen Einflussnahme. Kurz darauf fing Jian G. seinen Job in Krahs Büro in Brüssel an.

Jian G. soll danach China-Reisen von Krah eingefädelt haben. Mit dabei war 2023 auch der für die AfD gewählte Bürgermeister aus Pirna, Tim Lochner. Der sprach von Jian G. als „unserem chinesischen Kontaktmann“. Bei einer Reise wurde Lochner wie ein Staatsgast hofiert und bekam einen Verdienst­orden von der Kommunistischen Partei verliehen. Seitdem nennt sich der AfD-Bürgermeister stolz „Internationaler Freundschaftsbotschafter von Lishui“. Vor und nach der Reise flossen auch Zahlungen ins Umfeld von Jian G., wie t-online recherchiert hat. Der Spiegel berichtete zudem darüber, dass G. mehrere Delegationsreisen der AfD-Jugendorganisation angeboten hatte – Essen und Übernachtungen inklusive.

Immer wieder Chinareisen

Bei einer China-Reise 2018 von Krah habe G. zudem einen Vortrag bei der chinesischen Einflussorganisation „Silk Road Think Tank Association“ gehalten, die auch im Auftrag des chinesischen Geheimdienstes „International Department of the Central Comittee of the Communist Party of China“ (IDCPC) weltweit Kontakte knüpfen soll. Der Verfassungsschutz warnte schon im Juli 2023 vor Aktivitäten des IDCPC in Deutschland.

Trotz all dieser bekannten zweifelhaften Verbindungen hat Krah Jian G. zuletzt als Beispiel für seine angebliche Weltoffenheit angeführt und kritisiert, dass der grüne EU-Parlamentarier Reinhard Bütikofer seinen Mitarbeiter in einer Sitzung als chinesischen Spion bezeichnet hatte.

Krah selbst reiste 2019, teils auf Kosten des chinesischen Konzerns Huawei, eines weiteren staatlichen Konzerns und mehrerer Stadtverwaltungen, per Business-Class nach Beijing und übernachtete sechs Tage in Luxushotels.

Kritik an China wies er zurück, stellte Internierungslager für Uiguren und andere Minderheiten als „Gruselgeschichten“ infrage. Chinesischen Staatsmedien gab er Interviews, Taiwan hält er für einen Teil Chinas und betonte, auch Tibet sei rechtmäßiges chinesisches Territorium. Während im Europaparlament seine Fraktionskollegen China-Resolutionen mittrugen, stimmte Krah dagegen. In der AfD-Bundestagsfraktion setzte er sich für den 5G-Ausbau von Huawei ein.

Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla nannten die Vorwürfe „sehr beunruhigend“. Am Dienstagnachmittag erklärten sie, Krah sei auf dem Weg nach Berlin, um im „persönlichen Kontakt diese Dinge zu besprechen“. Weidel kündigte eine Stellungnahme für Mittwochmorgen an. „Wir nehmen diese Fälle sehr ernst.“

Bernd Baumann, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion versuchte die Vorwürfe dagegen abzubügeln: „Wir sind hartgesotten, was Vorwürfe angeht, besonders in Wahlkampfzeiten.“ Man brauche Belege, um die Vorwürfe parteiintern zu prüfen. Den Hinweis, dass die Bundesanwaltschaft ja niemanden festnehme aufgrund leichter Verdachtslagen, wischte Baumann weg.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Rainer Kraft, Teil der deutsch-taiwanesischen Parlamentariergruppe im Bundestag, sieht Krahs China-Verbindungen dagegen kritisch. „In der AfD-Fraktion gibt es null Verständnis dafür, sein Land an fremde Mächte zu verkaufen“, sagte er am Dienstag. Kraft bemängelte aber ebenfalls fehlende Belege, sodass die AfD die Vorwürfe nur anhand der Selbstauskunft der Betroffenen prüfen könne. „Das sind sehr starke Vorwürfe. Selbstverständlich: Sollte da irgendwas dran sein, kann es nur eine Konsequenz geben: Das ist der sofortige Fraktions- und Parteiausschluss.“

Justizminister fordert „harte Konsequenzen“

Außerhalb der AfD war die Kritik da bereits massiv. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die Vorwürfe „äußerst schwerwiegend“. Wenn sich diese bestätigten, sei das „ein Angriff von innen auf die europäische Demokratie“. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) forderte „harte Konsequenzen“, wenn sich der Vorwurf bewahrheite. Der belgische Europapolitiker Guy Verhofstadt kritisierte, China und Russland untergräben die Demokratie und Sicherheit, „und die radikale Rechte ist ihr trojanisches Pferd“.

Erst am Montag hatte die Bundesanwaltschaft drei Deutsche festnehmen lassen, die mit ihrem Unternehmen Wirtschaftsspionage für China betrieben und einen Speziallaser in dorthin ausgeführt haben sollen, obwohl dieser einem Exportverbot unterlag.

China weist Vorwürfe zurück

In China wischte man die Vorwürfe weg. Wang Wenbin, Sprecher des Außenministeriums, nannte diese eine „böswillige Verleumdung“, die „völlig aus der Luft gegriffen“ sei. Die Absicht sei „ganz offensichtlich, China zu verleumden, zu unterdrücken und die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu untergraben“. Die Reaktion war erwartbar, schließlich reagiert die Parteiführung auf praktisch sämtliche Kritik von außen stets nach demselben Muster: Die Anschuldigungen werden nicht anerkannt, als Diffamierung gebrandmarkt und schlussendlich in einen Gegenangriff umgemünzt.

In der chinesischen Öffentlichkeit wird das Thema – auch dank einer flächendeckenden Zensur – nicht diskutiert. Zugleich schwört Präsident Xi Jinping die Bevölkerung geradezu obsessiv gegen Gefahren aus dem Ausland ein. Universitäten berichten auf ihren Onlineaccounts stolz von Anti-Spionage-Kursen, in Staatsbetrieben wird auf den Fluren auf Plakaten vor ausländischen Spitzeln gewarnt. Die Staatssicherheit ruft ihre Bürger dazu auf, verdächtige Aktivitäten bei den Behörden zu melden. Immer wieder werden internationale Geschäftsleute oder Akademiker wegen Spionageverdachts festgenommen. Ob die Vorwürfe stimmen oder politsch motiviert sind, lässt sich aufgrund der Intransparenz des Systems nicht überprüfen: Selbst Diplomaten bleibt der Zugang zum Gerichtssaal verwehrt, die Öffentlichkeit erfährt meist nicht von der konkreten Anschuldigungen, geschweige denn der Beweislast.

Bei der AfD mussten sich derweil ebenfalls am Montagabend Krah und der Bundestagsabgeordnete Peter Bystron erneut vor dem Bundesvorstand wegen ihrer Russland-Verbindungen erklären. So war bekannt geworden, dass Krah eine vierstellige Summe Bargeld bei einer FBI-Kontrolle dabei gehabt haben soll, als ihn die amerikanische Ermittlungsbehörde wegen prorussischer Verbindungen befragt hat. Ebenso soll es eine Geldübergabe von 20.000 Euro an seinen Parteikollegen Bystron in Tschechien gegeben haben. Krah und Bystron sind Nummer 1 und 2 der AfD-Liste für die Europawahl.

Bystron sprach danach, man sei sich einig gewesen, dass „hier eine Kampagne gegen die AfD gefahren“ werde. Andere Stimmen aus dem Bundesvorstand waren weniger offensiv. So war auch zu hören, dass man die erneuten Erklärungen von Krah und Bystron erstmal nur zur Kenntnis genommen wurden.

Aktualisiert um 16.40 Uhr

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