Slowakei nach Attentat auf Robert Fico: Ein Schuss trifft die Presse

Nach den Schüssen auf Robert Fico haben es slowakische Medien schwer. Die Regierung sieht kritische Berichterstattung als ein Grund für das Attentat.

Mann vor slowakischer Flagge

Die Politik-Berichterstattung sei schuld an der aggressiven Stimmung im Land, sagt Ficos Stellvertreter Matúš Šutaj-Eštok Foto: Tomas Benedikovic/ap

Die Slowakei befinde sich in einem kollektiven Schock, sagte der Politologe Miroslav Radek nach den Schüssen auf den slowakischen Premierminister Robert Fico am vergangenen Mittwoch. Auch international diskutierte man in den vergangenen Tagen über die Gründe für den Angriff. War der Täter ein „einsamer Wolf“ oder doch organisiert? Und was sind die Folgen für das Land, dessen prorussische und proeuropäische Kräften tief gespalten sind?

Es wird zu weiteren Radikalisierungen von Einzelpersonen und Politikern kommen, sagte etwa Radek der AFP. Vielleicht sogar zu einem „Ende der Demokratie, wie wir sie kennen“, schrieb die liberale tschechische Zeitung Hospodarske noviny. In der Debatte über die Zukunft des Landes steht ein Verlierer bereits seit Langem fest. Es sind die unabhängigen Medien in der Slowakei.

Der Druck und der Hass auf Jour­na­lis­t*in­nen steigt nicht erst seit dem Angriff auf Fico. Er stieg trotz der tiefen Wunde, die die Ermordung des Journalisten Jan Kuciak 2018 in der Gesellschaft hinterlassen hat. Nicht zuletzt durch das Zutun der Regierung, die in ihren Wahlkampf verstärkt auf die Berichterstattung von verschwörungstheoretischen Medien setzte. Die Konsequenz ist eine reale Bedrohung für unabhängige Medienschaffende – wie etwa durch die vorbereitete Auflösung des einzigen öffentlich-rechtlichen Senders RTVS.

Schuldige schnell gefunden

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass nach dem Angriff auf den Premier die Schuldigen schnell gefunden wurden. Die Art der Berichterstattung über die Politik sei schuld an der aggressiven Stimmung im Land, sagte etwa Innenminister und Stellvertreter Ficos, Matúš Šutaj-Eštok, nur einen Tag nach den Schüssen auf den Premierminister auf einer Pressekonferenz.

Derzeit signalisieren die Abgeordneten der Regierungskoalition, insbesondere Andrej Danko (SNS), aber auch der stellvertretende Ministerpräsident Robert Kaliňák (SMER), dass sie in den nächsten Tagen ein Gesetz auf den Weg bringen werden, das sich um die „Medienrhetorik“ kümmern soll. Was das bedeuten soll, ist nicht klar. Im Moment sieht es so aus, als wolle man damit die Meme-Seite „Zomri“ in den sozialen Netzwerken verbieten. Aber die Po­li­ti­ke­r*in­nen bringen auch die Namen von Jour­na­lis­t*in­nen in öffentliche Reden oder in ihren Livestreams ein. Unter Medienschaffenden herrsche die Wahrnehmung, dass in der Realität auch etablierte Medien eingeschränkt werden sollten, heißt es von einem Mitglied der Redaktion der Investigativzeitung Denník N.

„Es wird alles nur mit Mühe zusammengehalten und die Leute sind sehr müde“, schrieb mir ein slowakischer Kollege einige Tage vor dem Angriff. Ficos Genesung wird sehr lange dauern, darüber sind sich die Ärz­t*in­nen einig. Mindestens genauso lang wird es aber dauern, den Hass gegenüber Jour­na­lis­t*in­nen einzudämmen und ein sicheres Arbeitsumfeld für sie herzustellen. Das kann nur funktionieren, wenn sich die Po­li­ti­ke­r*in­nen gemeinsam dafür einsetzen und wenn wir – die EU-Mitgliedstaaten und die internationale Presse – hinschauen und das Fehlverhalten der Politiker gegenüber der freien Presse auch benennen.

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Aus Kassel, lange Zeit in Erfurt gelebt und Kommunikationswissenschaft studiert. Dort hat sie ein Lokalmagazin gegründet. Danach Masterstudium Journalismus in Leipzig. Bis Oktober 2023 Volontärin bei der taz. Aktuell über Medienpolitik, Essen und Witze schreiben und die taz.de Seite aktualisieren.

Bilder zur Pressefreiheit 2024 Illustration von Lucia Žatkuliaková 6976051 6008040 g6008040

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