Proteste gegen Russlands Coronapolitik: Putin allein zu Haus

In Russland formiert sich Online Widerstand gegen die Einschränkungen der Grundrechte. Putins Umfragewerte sind indes so niedrig wie lange nicht mehr.

Wladimir Putin sitzt allein in seinem Büro

Warum hat er eigentlich kein Hintergrundbild von sich selbst auf dem Rechner? Foto: Alexei Druzhinin/dpa

Traurig, aber wahr: So mancher Regierung kommt das Corona-Virus durchaus gelegen. Strenge Ausgangsbeschränkungen, Sperrstunden und Demonstrationsverbote: Welche Maßnahmen wären besser geeignet, um unbequeme KritikerInnen – zumindest temporär – kalt zu stellen. Sollte auch Wladimir Putin auf dieses Szenario gesetzt haben, so ist seit dieser Woche jedoch klar: Russlands Präsident, der auch in „normalen Zeiten“ jegliche Unmutsbekundung im Keim ersticken lässt, hat sich verzockt.

Denn im Land, genauer gesagt in russischen Wohnzimmern, formiert sich Widerstand, der sich via Internet Gehör zu verschaffen versucht. Dabei zeigen die Bandbreite der Forderungen sowie der Umstand, dass diese erste konzertierte Online-Aktion nicht auf Moskau und St. Petersburg beschränkt ist, ganz deutlich: Auslöser der Proteste sind nicht nur die massiven Einschränkungen von Grundrechten, für die jetzt der Kampf gegen die Pandemie als Rechtfertigung herhalten muss. Mindestens genauso schwer wiegt die Furcht vieler Menschen vor wachsenden sozialen Verwerfungen wegen der Corona-Krise. Die Ängste sind berechtigt. Die Infektionszahlen steigen exorbitant und der Höhepunkt dürfte noch bevorstehen.

Doch das ist noch nicht alles. Auch die geplanten Verfassungsänderungen zwecks Weiterbeschäftigung von Wladimir Putin, die die Bevölkerung bei einer Pseudo-Abtsimmung noch abnicken darf, stoßen auf Ablehnung.

SkeptikerInnen mögen entgegen, es seien ja wieder nur die üblichen Verdächtigen wie oppositionelle PolitikerInnen, unbequeme KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen, die diese Aktion initiiert haben. Doch dieser Einwand verkennt ein entscheidendes Moment: Der überwiegenden Mehrheit der RussInnen mag es egal sein, wenn Oppositionelle bei Demonstrationen gegen gefälschte Wahlen zusammengeschlagen werden und auf Jahre in Gefängnissen verschwinden.

Aber jetzt geht es um die nackte Existenz – von Millionen. Und da hört der Spaß bekanntlich auf. Man denke nur an die Rentenreform vor zwei Jahren, die die Regierung nach Protesten in Teilen zurücknehmen musste. Vielleicht sollte sich auch Putin daran erinnern. Seine Zustimmunsgswerte sind so niedrig wie seit langem nicht mehr. Und sie fallen weiter.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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