Pflegenotstand in Berlin: Alles beim Alten in der Pflege?

Nach dem Alarm in einem Pflegeheim der Domicil-Gruppe in Lichtenberg nimmt die Berliner Heimaufsicht die Betreiber im Abgeordnetenhaus in Schutz.

Das Bild zeigt das Heim der Domicil-Gruppe in Lichtenberg

Pflegeunternehmen im Zwielicht: Das Heim der Domicil-Gruppe in Lichtenberg Foto: Christophe Gateau/dpa

BERLIN taz | Der Fall sorgte für Aufsehen: Mitte April hatte eine Pflegerin eines Seniorenheims in Lichtenberg nachts den Notruf gewählt, weil keine Ablösung zur Verfügung stand. Das sei „eine Verkettung unglücklicher Umstände“ gewesen, erklärte nun Bettina Jonas, Leiterin der Berliner Heimaufsicht, am Montag im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses – und nahm so den Träger der Einrichtung, die Domicil-Unternehmensgruppe, vorerst aus der Schusslinie.

Jonas sagte, ihre Aufsichtsbehörde habe das Heim am Tag nach dem Notruf überprüft und die Dienstpläne untersucht. Ein Ergebnis: Der Vorfall hänge auch mit EDV-Problemen bei der Erstellung von Dienstplänen zusammen.

Die Prüfung sei zudem sehr kooperativ verlaufen, auch mit der neuen Heimleitung stehe man in regelmäßigem Austausch. Eine Woche nach dem Feuerwehreinsatz in dem Seniorenheim hatte die Domicil-Gruppe die Leitung ausgewechselt. Der Träger überprüft den Vorfall außerdem in einer eigenen, unabhängigen Untersuchung.

Der Vorfall im April wirft erneut ein Schlaglicht auf die desaströse Personalsituation in der Altenpflege. Der Mitarbeiterin des Heimes in Lichtenberg war zum Ende ihrer Schicht aufgefallen, dass für die folgende Nachtschicht keine Pflegefachkraft im Dienstplan eingetragen war. Für die Versorgung von 142 pflegebedürftigen Menschen waren demnach nur drei Hilfskräfte vorgesehen, ohne die für die Nacht vorgeschriebene qualifizierte Fachkraft.

Anonymer Hinweis auf Todesfall

Die Pflegerin versuchte daraufhin, den Bereitschaftsdienst und die Heimleitung zu kontaktieren, allerdings ohne Erfolg. Nachdem sie den Notruf gewählt hatte, rückten Polizei und Feuerwehr an – und schließlich auch die Heimleitung, die eine qualifizierte Pflegefachkraft für die Nacht organisierte. Ebenfalls in jener Nacht gab jemand einen anonymen Hinweis zu einem Todesfall, den nun die Staatsanwaltschaft überprüft. Demnach soll die Leiche einer Bewohnerin wegen Personalmangel erst verspätet gefunden worden sein.

Bettina Jonas von der Heimaufsicht berichtete nun vor dem Gesundheitsausschuss, dass am 30. Dezember in dem Pflegeheim schon einmal der Notruf gewählt worden sei. Ihre Behörde habe davon aber erst später erfahren, kritisierte sie: „Wir hätten informiert werden müssen.“ Warum der Notruf abgesetzt wurde, ließ sie offen.

Allgemein verwies Jonas auf Probleme mit Leiharbeit in der Pflege. Es werde versucht, den Personalmangel mit Leiharbeitskräften zu lindern. Die seien dann oft mit dem Haus und Kol­le­g:in­nen nicht vertraut und würden nicht ausreichend eingewiesen. Darunter leide die fachgerechte Versorgung der Bewohner:innen. Laut dem Tätigkeitsbericht der Berliner Heimaufsicht gab es im vergangenen Jahr berlinweit 538 Beschwerden. Insgesamt gebe es aber Einrichtungen, die gut funktionierten, betonte Jonas.

Die Domicil-Gruppe schickte am Montag keinen Vertreter in den Gesundheitsausschuss – trotz vorheriger Zusage. Die Ausschussmitglieder hatten dafür wenig Verständnis. Elke Breitenbach, Pflegeexpertin der Linksfraktion und ehemalige Sozialsenatorin, sagte, man solle „vorher einfach die Klappe halten und nicht so etwas ankündigen, wenn man dann doch nicht kommt“. Domicil betreibt laut Heimaufsicht 16 Einrichtungen in Berlin.

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