Länderfinanzausgleich und 29-Euro-Ticket: Danke, Danke Bayern!

Berlin lebt auf Bayerns Kosten, ob 29-Euro-Ticket, kostenloser Kita- oder Museumsbesuch. Markus Söder wütet über den Finanzausgleich. Wir sagen Danke.

Über Berlin regnet es bayerisches Geld

Über Berlin regnet es bayerisches Geld Bild: Montage: taz/Claudia von Heydebrand; Fotos: imago, picture alliance, ap

Markus Söder, erster Bayer, der fast zum Mond reiste, hat recht. Es ist Zeit, endlich einmal Danke zu sagen, sogar „Danke, Danke“, wie der größte Ministerpräsident aller Zeiten (Grömaz) es vergangenen Sommer formulierte. Konkret bierzeltete Söder: „Normalerweise, wenn Bayern nach Berlin fahren, müssten die Leute, wenn in Berlin ein bayerisches Kennzeichen einfährt, spontan ein Schild hochheben, auf dem steht: ‚Danke, Danke unseren Sponsoren aus Bayern.‘“

Auch aktuell bläst man in Bayern wieder ins selbe Alphorn. Auf Missfallen stößt, dass Berlin ab 1. Juli seinen Bür­ge­r:in­nen ein 29-Euro-Ticket (leider nur für den Tarifbereich AB) spendiert und sich das jährlich 300 Millionen Euro kosten lässt. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (Staatspartei) neidete: „In Bayern können wir das Angebot im ÖPNV nur mit einem tiefen Griff in die Staatskasse aufrechterhalten, während Berlin als Hauptempfänger des Länderfinanzausgleichs quasi mit bayerischem Geld einen Gesamtrabatt für alle Fahrgäste finanziert.“

Die Stimmung in der Münchner Staatskanzlei ähnelt schon seit Jahren der trotzigen Wut, die sich beim FC Bayern breitmacht, wenn er mal Zweiter wird. Bayern ist Rekord-Geberland im – daher beklagten – Länderfinanzausgleich. Im vergangenen Jahr zahlte man 9,1 Milliarden Euro. Berlin als Hauptnehmer-Bundesland durfte sich über 3,8 Milliarden freuen.

Solidarität auf Bayerisch

Doch Solidarität ist ein Wort, das auf Bayerisch niemand versteht. Weit und breit kein Stolz darüber, dass man uns ein Leben erwirtschaften darf, frei vom Zwang zur Produktivität und Rechts­treue, stattdessen voller Laisser-faire und wärmender Freibier-Mentalität (statt 14,90 für die Wiesn-Maß). Ein Leben, das auch in Gillamoos Vorbild sein könnte. Berlins Standard muss man sich halt erarbeiten. Am besten anderswo. Work hard, play hard braucht kein Ausdruck neoliberaler Schizophrenie sein, sondern funktioniert separiert nach Landesteilen.

Selbst der kleinste Schritt in Richtung Zivilisation, man denke an kostenlosen Museumsbesuch, wird uns vom altertümlichen Bergvölkchen missgönnt. So wütete CSU-Generalsekretär Martin Huber einst gegen hauptstädtische Gender-Toiletten, bezahlt von den Zweigeschlechtlichkeits-Mullahs in Bayern. Sein Chef auf China-Reise weinte Krokodilstränen darüber, dass sich Berlin die Millionen-Mietgebühr für chinesische Pandas leistet. Bayern dagegen hat nur Problembären.

In München fliegt bereits der Filzhut hoch, weil Berlin seinen eigenen Kindern den Bildungsweg hin zum „2.-Klasse-Abitur“ nicht durch Preisschilder versperrt, also Kita, Hort und Schulessen kostenlos sind. Nicht auszudenken, welcher Groll über uns hineingezogen wäre, hätten sie in Bayern herausgefunden, dass ihre geflüchteten Landeskinder hier auch noch ihr Party-Koks kostenlos auf die Einhaltung des Reinheitsgebots prüfen lassen können.

All die ungewollte Solidarität aus Bayern reicht aber nicht, so leid es uns tut. Nach den neuesten sehr wohlmeinenden Rechentricks des Senats ist der laufende Haushalt noch um 550 Millionen Euro unterfinanziert. Vermutlich ist die Lücke aber größer. Bayern, bitte, bitte hilf!

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Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

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