Kolumne Über Ball und die Welt: Südasienmeister? Na und?

Die U17-Weltmeisterschaft in Indien ist nur der Anfang. Auch an eine Fußball-WM auf dem Subkontinent wird schon gedacht.

Spieler des indischen Vereins JSW Bengaluru FC beim Training vor einem AFC-Spiel in Doha.

Die Spieler des indischen Vereins JSW Bengaluru FC trainieren in Doha für das Endspiel um den Asian Cup 2016 – sie verloren 1:0. Foto: imago/Xinhua

„Die Fußballrevolution in Indien ist auf dem Weg“, twittert Javier Ceppi seit Monaten ständig. Der Mann ist nah dran an dieser Revolution. Er ist Direktor des WM-Turniers der U17-Teams, das im Oktober stattfindet. Eine Fußball-WM in einem Land, das hierzulande meist nur mit Kricket oder Hockey in Verbindung gebracht wird, ist tatsächlich etwas Neues.

Aber auch etwas Überfälliges.

Wer unbedingt will, kann den Stellenwert Indiens für den Weltfußball in den Worten Ceppis ausdrücken: „Wir reden hier von 1.250 Millionen Menschen, einem gigantischen Markt und einer enormen Fußballbegeisterung.“ Wer es so formuliert, liegt allerdings sehr auf der Linie des Weltfußballverbands Fifa, dessen WM-Vergabepolitik immer dem Gedanken folgt, wo Märkte zu erschließen sind.

So weit, so unsympathisch. Dass die Integration Indiens in den Weltfußball überfällig ist, lässt sich aber auch anders begründen. Die Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften war nämlich bislang ein Lehrstück, wie Europa dem Rest der Welt seine Überlegenheit mitzuteilen gedacht hat. Beim ersten Turnier, 1930, ließ die Fifa nur europäische und lateinamerikanische Vertreter mitmachen. 1934 durfte dann Ägypten dabei sein; es blieb das einzige afrikanische Land bis 1970! Bei der dritten WM, 1938, war es ein asiatisches Land: Niederländisch-Indien – das heutige Indonesien.

1950 probierte man es dann mal mit Indien: seit 1947 unabhängig, 1948 bei den Olympischen Spielen mit Achtungserfolgen vertreten (im Fußball Achtelfinale!). „Während die Inder gegen die Briten für ihre Unabhängigkeit kämpften, war Fußball eines der populärsten Spiele“, schreibt der Kricket-Historiker Mihir Bose. „Nach der Unabhängigkeit wurde es Indiens Sportart Nummer eins.“

Die türkische Elf blieb zu Hause

Mit diesem riesigen Land, dachte sich die Fifa, könne sie das Image eines wirklichen Weltturniers erheischen. Indien gelangte ohne Qualifikation zur WM. Begünstigt wurde das durch etliche Absagen. Die Türkei etwa erklärte, die Reise nach Brasilien sei zu teuer.

Doch auch bei der WM absolvierte Indien kein Spiel: Das lag allerdings nicht daran, wie es – zum Teil bis heute – in der europäischen Sportöffentlichkeit kolportiert wird, dass die indischen Kicker sich nicht mit einem Barfußspielverbot hätten anfreunden können. Der Sporthistoriker Kaushik Bandyopadhyay sagt, der indische Verband habe die WM schlicht nicht für ein wichtiges Turnier gehalten. Ähnliches berichtet auch Mannschaftskapitän Sailen Manna: „Wir hatten keine Ahnung von der Weltmeisterschaft. Für uns waren die Olympischen Spiele alles, es gab nichts Größeres.“

Diese Sicht auf die Fußball-WM war damals nicht verwunderlich: Die Fifa wollte ja keine Vertreter aus Asien, Afrika und Ozeanien. Dagegen waren die Olympischen Spiele seit den 30er Jahren wirkliche Weltereignisse.

Fußball fand aber statt, nur eben nicht unter den Blicken europäischer Fußballhegemonie: 2008 gewann Indien den AFC Challenge Cup – ein Turnier, das der asiatische Verband speziell zur Förderung weniger leistungsstarker Teams ins Leben gerufen hat. Und 2009, 2011 und 2015 wurde Indien Südasienmeister. In Indien überlegt man gar, sich als WM-Gastgeber zu bewerben. Für 2026 und, etwas realistischer 2030 befindet sich Nachbar China im Bieterrennen, doch dahinter könnte sich Indien Chancen ausrechnen.

Die Stadien und das nötige Organisations-Knowhow erarbeitet man sich ja schon im kommenden Jahr mit der U17-Weltmeisterschaft.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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