Internationale Filmfestspiele Venedig: Die eigene Identität tauschen

Lidokino 10: Lachen mit Dalí und Franz Rogowski als Jenischer. Das Komische läuft bei den Filmfestspielen von Venedig hauptsächlich außer Konkurrenz.

Franz Rogowski als Lubo wird von einer Gruppe, die in einer Toreinfahrt steht, begafft. Er ist geschminkt und trägt Frauenkleidung

Schauspieler Franz Rogowski als Lubo in einer Szene aus „Lubo“ von Giorgio Diritti Foto: Francesca Scorzoni/dpa

Viel zu lachen gab es auf dem Lido bisher nicht. Im Wettbewerb zumindest, wo, von Yorgos Lanthimos’ schwarzer Komödie „Poor Things“ abgesehen, vorwiegend ernste Stoffe verhandelt wurden, manche lediglich etwas leichter im Ton. Das Komische findet sich dieses Jahr bei den Filmfestspielen von Venedig vor allem außer Konkurrenz.

Der wohl schönste Beitrag davon ist kurz, keine 80 Minuten lang, absurd, genauer gesagt surreal und kommt vom zuverlässig albernen französischen Regisseur Quentin Du­pieux. „Daaaaaali!“ ist, nach dem am Donnerstag in Deutschland im Kino ­gestarteten „Dalíland“, der zweite aktuelle Film, der sich dem wohl bekanntesten Künstler des Surrealismus widmet.

Als „real fake biopic“ erzählt der Film weniger, als dass er seinen titelgebenden Protagonisten im Stil würdigt. Die Handlung ist übersichtlich: Eine Journalistin trifft Salvador Dalí für ein Dokumentarfilmprojekt, doch schon das erste Treffen bricht der exzentrische Künstler unvermittelt ab. Weitere Treffen enden ähnlich ergebnislos, irgendwann weiß man nicht mehr, ob sie den Film je fertigstellen kann.

Dalí wird von wechselnden Schauspielern unterschiedlichen Alters gegeben, in der einen Szene spielt ihn Jonathan Cohen, in einer andern Gilles Lelouche. Am Rande kommt es zu einem Essen bei Dalís Gärtner, wo Dalí einen Traum erzählt bekommt, der nicht zu enden scheint.

Wie Dupieux diese Sequenzen schneidet und unerwartet aneinanderfügt, macht einen gut Teil des Witzes von „Daaaaaali!“ aus, der sich seinem Thema schon vom ersten Bild an mit wunderbar bescheuert-überraschenden Einfällen nähert. Das Prinzip Wiederholung nutzt er ebenfalls vorteilhaft. Mehr zu verraten, wäre unfair. Die Filmmusik stammt übrigens von Thomas Bangalter, einer Hälfte des französischen House-Duos Daft Punk.

Rogowski im Bärenkostüm

Fast hundert Minuten länger als „Daaaaaali!“ und damit von knapp drei Stunden Dauer ist Giorgio Dirittis Wettbewerbsfilm „Lubo“, der wahre Begebenheiten aus der Schweiz in einer fiktiven Form präsentiert. Franz Rogowski spielt darin Lubo Moser, einen Jenischen, die ihrer nomadischen Lebensweise wegen von den anderen Schweizer Bürgern als „Zigeuner“ diskriminiert werden. Seine Familie ernährt er als Unterhaltungskünstler, zu Beginn des Films tanzt er in einem Bärenkostüm, dem er kurz darauf geschminkt und in Frauenkleidern entsteigt.

Ein Einberufungsbefehl trennt ihn von der Familie. Die Kinder werden in seiner Abwesenheit gewaltsam von den Behörden weggebracht. Seine Frau, die das zu verhindern versucht, stirbt, als sie einer der Polizisten stößt und sie sich beim Fallen schwer verletzt.

Lubo Moser bietet sich kurz darauf die Möglichkeit, an Geld zu kommen und seine Identität zu tauschen. Von da an ist er als reicher Händler unter anderem Namen unterwegs, stets auf der Suche nach seinen Kindern, wozu er sämtliche Jugendheime der Schweiz ausfindig macht.

Klassisch in der Machart

Als sepiagetönter Historienfilm ist „Lubo“ klassisch in der Machart, sein Thema geht Diritti dabei auf mehreren Umwegen an. Denn um nach dem Verbleib seiner Kinder zu erkundigen, mischt sich Lubo Moser zunächst unter die reiche Schweizer Gesellschaft. Diese unterstützt mit Stiftungen wie „Pro Juventute“ die Einrichtungen, in denen Moser seine Kinder vermutet.

Franz Rogowski verleiht der Titelfigur etwas von einem rätselhaften Charmeur, der unter seiner Tarnung nie das Ziel aus den Augen verliert. Man folgt diesem Lubo fasziniert bei seinen oft riskanten Manövern und seinem allmählichen Wandel. Diritti bleibt zwischendurch sehr lange bei den Abenteuern Mosers, am Ende finden die wie zerstreut wirkenden Handlungsstränge jedoch wieder ganz selbstverständlich zusammen.

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Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.

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