Erklärung ohne Schweden und Österreich: Bekenntnis zu sozialem Europa

Vor dem Gipfel zeigt sich die EU an überraschender Stelle gespalten: Zwei Länder fehlen bei der Unterstützung für die soziale Säule.

EU-Arbeitskommissar Nicolas Schmit bei einer Pressekonferenz.

EU-Arbeitskommissar Nicolas Schmit Foto: Caisa Rasmussen/TT/imago

BRÜSSEL taz | Es sollte ein Höhepunkt des belgischen EU-Vorsitzes werden: Bei einem Treffen in La Hulpe haben sich die EU-Institutionen zu einem sozialen Europa bekannt. Doch Schweden und Österreich verweigerten ihre Unterschrift – genau wie der Arbeitgeberverband Business Europe. Die Gewerkschaften hoffen dennoch auf soziale Fortschritte.

Bisher steht das soziale Europa vor allem auf dem Papier. Unter Federführung des EU-Kommissars Nicolas Schmit hat Brüssel zwar einen Rahmen für Mindestlöhne verabschiedet und ein Gesetz zum Schutz von Plattformarbeitern auf den Weg gebracht. Doch die 2017 proklamierte „europäische Säule sozialer Rechte“ ist unverbindlich und vage geblieben.

Die Wirtschaftspolitik ruht auf dem Maastricht-Vertrag und dem Binnenmarkt. Zudem wird sie durch den Ende 2023 reformierten Stabilitätspakt auf strikte Budgetdisziplin verpflichtet. Durch die Coronakrise und die Inflation haben sich die Arbeits- und Lebensbedingungen für viele Menschen in der EU zuletzt deutlich verschlechtert.

Zwei Monate vor der Europawahl haben sich die EU-Kommission, das Parlament und der Rat nun zur „sozialen Säule“ bekannt und versprochen, sie in den kommenden Jahren auszubauen. So sollen soziale Investitionen gefördert werden. Außerdem will sich die EU für lebenslanges Lernen und die europaweite Anerkennung von Berufsabschlüssen einsetzen.

Drohende Austeritätspolitik

Außerdem sollen soziale Fragen künftig beim „Europäischen Semester“ stärker berücksichtigt werden, das die Finanzpolitik steuert und den EU-Ländern detaillierte Sparvorschriften macht. Die Gewerkschaften hoffen, dass auf diesem Wege eine unsoziale Austeritätspolitik wie zu Zeiten der Eurokrise vermieden werden kann.

Die neuen EU-Schuldenregeln seien der „Elefant im Raum“, warnte der Europäische Gewerkschaftsbund EGB bei dem Treffen in La Hulpe. Seine Generalsekretärin Esther Lynch sagte:.„Wir sollten auf unser Sozialmodell stolz sein.“ Die Erfolge dürften nicht zurückgedreht werden.

Doch genau das droht – zumindest in Schweden und in Österreich. Beide Länder haben die „Erklärung von La Hulpe“ nicht unterschrieben. Sie wollen die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in den Vordergrund stellen. Dies bedeutet in der Praxis jedoch meist Lohnzurückhaltung und Sozialkürzungen.

Rückenwind verspüren die beiden Neinsager beim EU-Gipfel, der am Donnerstag in Brüssel tagt. Denn auch dort soll es um die Wettbewerbsfähigkeit und den Binnenmarkt gehen. Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, fordert radikale Reformen, die auch das europäische Sozialmodell infrage stellen könnten.

Klare Reaktion

In La Hulpe hagelte es denn auch Kritik am Vorgehen der Schweden und der Österreicher. „Bisher hatte der Rat die Säule und das Aktionsprogramm immer geeint unterstützt, selbst das Vereinigte Königreich war in Göteborg dabei“, sagte die SPD-Europaabgeordnete Gaby Bischoff. Die beiden Neinsager hätten sich selbst isoliert.

Etwas optimistischer klingt es bei der Linken, die begrüßten, dass die große Mehrheit die Erklärung verabschiedet hat. „Heute gab es endlich einmal einen kleinen sozialen Lichtblick“, sagte die Abgeordnete Özlem Alev Demirel. Nun müssten aber auch Taten folgen. Vor allem müsse genug Geld für die soziale Infrastruktur fließen – und die „irrsinnige Kürzungspolitik“ aufhören.

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