Sparpolitik durch Musterprogramm: Senat geizt mit Schulräumen

Inklusions-Schule Moorflagen muss Klassenhaus abgeben, weil auf dem Papier zu viel Platz ist. Der werde aber für die behinderten Kinder gebraucht, sagt der Elternrat

Mini-Demo: Die Schule Moorflagen wehrt sich dagegen, Räume abzugeben. Foto: Andreas Yasseri

Wenig beachtet von der Öffentlichkeit hat der Senat 2011 ein „Musterflächenprogramm“ für Hamburgs Schulen aufgelegt. Jedem Schüler sollten zwölf Quadratmeter zustehen, Flure und Turnhallen eingeschlossen. Rein rechnerisch hatten Hamburgs Schulen mehr Platz. Jetzt kommt die Quittung. 17 Schulen, die auf dem Papier zu viel Raum haben, müssen zum Sommer Gebäude abgeben. Die werden von der Finanzverwaltung verkauft oder vermietet.

Besonders hart trifft es die kleine Grundschule Moorflagen in Niendorf mit 220 Schülern. Eines von fünf Klassenhäusern wird bereits fremdgenutzt. Ein weiteres soll nun ab Sommer „abgemietet“ werden. Aus Sicht des Elternrats ist das eine Katastrophe. Denn die Schule ist eine von nur drei „Schwerpunktschulen für Inklusion“ im Bezirk Eimsbüttel. „Wir haben zurzeit 17 Kinder mit Handicaps“, berichtet der Vorsitzende Andreas Yasseri. Das Haus werde für diese Kinder dringend benötigt.

Acht der Kinder haben Handicaps in der körperlich-motorischen Entwicklung, vier von ihnen seien ständig auf orthopädische Hilfsmittel angewiesen. Sie müssten ihre Orthesen auch mal abnehmen, um Druckstellen zu vermeiden. „Die Kinder brauchen dann eine mit Teppich ausgelegte Fläche, um sich auf allen Vieren bewegen zu können“, sagt Yasseri, „dazu benötigt die Schule einen speziellen Differenzierungsraum.“

Ferner müsse ein Mädchen mit Muskelatrophie immer wieder Liegezeiten einhalten und brauche dafür zeitweise einen Raum. Und drei Jungen mit dem Handicap „frühkindlicher Autismus“ bräuchten immer wieder eine Auszeit, wenn die Reizüberflutung sie überfordere. Und schließlich finde ein großer Teil der Therapien während der Schulzeit statt. Auch dafür brauche die Schule einen Raum.

Hamburgs Schulen wurden 2010 in das „Sondervermögen Schulbau“ übertragen. Seitdem ist die städtische Firma Eigentümerin der Gebäude.

Die Schulen sind Mieter, die Miete zahlt die Finanzbehörde an die Schulbau. Dafür saniert diese die Gebäude und baut neue.

Nach groben Schätzungen kamen auf einen Schüler früher 16 Quadratmeter Schulfläche. Laut dem „Musterflächenprogramm“ stehen jedem Schüler nur zwölf zu.

Der Senat beschloss, die Fläche um zehn Prozent zu reduzieren.

Flächen abgeben mussten bisher 34 Schulen. In 2016 trifft dies nochmal 17 Schulen.

Diese Argumente und noch mehr schickte der Elternrat Anfang April an Schulsenator Ties Rabe (SPD), mit der Bitte um ein Gespräch. Am Donnerstag kamen die zuständigen Schulräte zum Besuch nach Niendorf. Ihre Botschaft: Die Aufgabe der Räume ist bereits beschlossen.

„Wir werden mit der Schulleitung intensive Gespräche führen und alternative Raumkonzepte entwickeln“, sagt Rabes Sprecher Peter Albrecht. Es sei möglich, auch mit weniger Räumen den Ansprüchen der Inklusion gerecht zu werden. Denn auch nach Abmietung der Klassenräume habe Moorflagen einen Überhang im Vergleich zu anderen Schulen. Das koste viel Geld und blockiere Ausbaumaßnahmen an Schulen, die viel weniger Platz hätten.

Der Elternrat glaubt nicht an ein Alternativkonzept. „Die behinderten Kinder könnten diese Schule nicht mehr besuchen“, sagt Yasseri. Den Eltern bliebe nur übrig, ihr Recht auf freie Schulwahl einzuklagen.

Um zu sparen, rechne die Stadt „nach einem statistischen Standardmodell, das auf Inklusion keine Rücksicht nimmt“, kritisiert Yasseri. Diese Umsetzung des Musterprogramms sei ein Verstoß gegen die Richtlinien des Expertenrates der Vereinten Nationen: „Der sagt ganz klar: Inklusion benötigt zusätzliche Räume.“

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